Digital Citizenship - Warum es mit einem Handyverbot an Schulen nicht getan ist
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An einer der Schulen, an denen ich gearbeitet habe, gab es sogenannte "Handykoffer". Jeden Morgen in der ersten Stunde sollten alle Handys eingesammelt und in dem Koffer aufbewahrt werden, der im Lehrerzimmer verstaut und in der letzten Stunde wieder herausgeholt werden sollte. Mein Morgen begann also stets mit dem Versuch, 25 Jugendlichen ihren vermutlich wertvollsten Besitz zu entwenden.
Wie dieser Versuch ablief? Manche Schüler:innen weigerten sich schlicht und ließen sich auch nach Drohungen (für die ich mich wiederum selbst verabscheute) nicht dazu bewegen, ihr Handy abzugeben. Andere behaupteten, das Handy nicht dabei zu haben. Wieder andere ließen sich noch kreativere Wege einfallen und gaben einfach ein altes Smartphone ab, das sie nicht mehr benutzten. Das Ergebnis? Unglaublich viel verlorene Zeit, das Gefühl von Ungerechtigkeit auf allen Seiten, Frust, Wut und schlechte Laune.
Bald entbrannte auch im Kollegium ein regelrechter Wettkampf darum, wer es schaffte, die meisten Handys einzusammeln. Diejenigen Kolleg:innen, die irgendwann keine Kraft mehr für den ständigen Kampf hatten und aufgaben, wurden von anderen, die mit Wetteifer dabei waren, verurteilt. Das Ergebnis? Frust, Wut und schlechte Laune.
Ich gehörte zu denjenigen, die hin und hergerissen waren zwischen dem Eingeständnis, dass das Smartphone extrem viel Ablenkungs- und Konfliktpotential bereithielt, und dem Verständnis gegenüber den Schüler:innen, dieses Gerät, zu dem die allermeisten eine so hohe emotionale Bindung und, let's face it, Abhängigkeit und Sucht entwickelt haben (und ich schließe mich hier nicht aus), nicht abgeben zu wollen.
Klar für mich war, dass ein Handyverbot von oben offensichtlich nicht funktionierte - oder nur über Gewalt hätte durchgesetzt werden können, die ich nicht bereit war, einzusetzen. Gleichzeitig erschien mir diese Lösung auch zu "einfach" (nicht in der Umsetzung, aber in der "Lösungsstrategie" an sich) - das Handy einfach aus der Schule zu verbannen und so zu tun, als existierte es nicht, konnte doch nicht die Lösung sein?
Doch wie kann eine Lösung aussehen, die es schafft, alle Beteiligten mit ins Boot zu holen? Das Stichwort: Digital Citizenship.
Ich bin selbst erst vor Kurzem auf diesen Begriff gestoßen und finde ihn extrem treffend, um zu beschreiben, was wir uns eigentlich für unsere Schüler:innen wünschen: einen verantwortungsvollen, gesunden Umgang mit dem Internet. Und dazu gehört auch, sich eingestehen zu können, dass das Smartphone ein hohes Maß an Suchtpotential birgt und es sinnvoll sein kann, es für bestimmte Phasen (z.B. in den Pausen oder während des Unterrichts) außer Reich- und Sichtweite zu bringen. Diese Erkenntnis muss jedoch meiner Meinung nach von den Schüler:innen selbst kommen, wenn man einen wirklich nachhaltig gesunden Umgang mit Smartphones in der Schule und darüber hinaus etablieren möchte.
Was bedeutet das konkret? Wir müssen Digital Citizenship im Unterricht behandeln, und zwar ausführlich. Das Thema spielt eine so zentrale Rolle in unser aller Leben, dass es eigentlich ein Skandal ist, dass es in Schule nach wie vor so wenig Beachtung findet.
Good news: Ich bin gerade dabei, ein neues Projektheft genau zu diesem Thema zu erstellen. Ihr dürft also gespannt bleiben.☺️